Chemie auf dem Hochplateau

Die chemische Industrie in Baden-Württemberg bewegt sich konjunkturell auf einem Hochplateau. Nach dem Rekordjahr 2011 deutet sich für 2012 zwar eine Wachstumspause mit Umsatzsteigerungen von ein bis zwei Prozent an. Doch wird dies von einem sehr hohen Niveau aus erreicht, was bei einer Bewertung nicht vergessen werden darf.

Die meisten Unternehmen berichten nach wie vor von einer guten Geschäftslage. Bei einer stagnierenden Nachfrage habe sich an der befriedigenden Auftragssituation wenig geändert, so der L-Bank-ifo-Konjunkturtest für März. Viele Unternehmen sehen sich gut aufgestellt, um hochwertige und spezifische Lösungen gemeinsam mit den Kunden aus der Auto-, Metall- und Elektroindustrie sowie dem Maschinenbau entwickeln und produzieren zu können. Denn klar ist: Deren Bedarf wird langfristig weltweit steigen.

Die vor allem mittelständisch strukturierte baden-württembergische Chemiebranche, die mit ihren fast 100.000 Beschäftigten insgesamt für einen Umsatz von über 30 Milliarden Euro sorgt, ist nach Angaben ihres Landesverbands derzeit gedämpft optimistisch gestimmt. Sorgen bereiten vor allem die Kosten für Rohstoffe, für Energie und die Löhne und Gehälter.

Aktuell laufen die Verhandlungen der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft IG BCE über den neuen Entgelttarifvertrag für 230 Unternehmen mit rund 70.000 Beschäftigten im Land. Den Arbeitgebern zufolge müssen sich die Tarifparteien noch viel intensiver mit der demografischen Entwicklung und damit dem Fachkräftemangel beschäftigen, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort langfristig zu sichern. Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent mehr Geld. Das weisen die Arbeitgeber als unrealistisch zurück. Es laufen also die üblichen Rituale von Tarifrunden ab. Da die Chemiegewerkschaft als konsensorientiert gilt, ist die Prognose kaum gewagt, dass es bei dem geforderten Entgeltaufschlag nicht bleiben wird. Trotzdem werden die Betriebe vor einer höheren Kostenlast stehen.

Mehrkosten wird auch die Energiewende bringen. Laut Landesverband der chemischen Industrie entwickeln sich die Energiepreise zu einer immer größeren Gefahr für den Standort. Die Unternehmen pochen auf eine sichere und wettbewerbsfähige, sprich bezahlbare Energieversorgung. Der EU-Emissionshandel und die deutschen Energiegesetze kosten die gesamte Chemiebranche im Jahr etwa 1,3 Milliarden Euro – die Chemie im Südwesten muss davon über 100 Millionen Euro tragen. Der Industriezweig befürchtet in diesem Sektor künftig steigende Aufwendungen und den Wegfall von Sonderregelungen in den Energiegesetzen.

Konjunkturell stimmt die Chemie im Südwesten weiterhin. Auf dem Hochplateau wird die Luft aber dünner. Und mit Blick auf die Energiepolitik hat die Branche einen Rucksack dabei, der nicht leichter, sondern schwerer wird.

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