19.03.2014|Gesamtwirtschaft

Konjunkturbericht für Baden-Württemberg: Wolken am Exporthimmel

Karlsruhe, 20.03.2014. Türkei, Argentinien, Brasilien, Südafrika, China, Indien, Russland. Schlechte Nachrichten aus den großen Schwellenländern haben in den vergangenen Wochen die Weltwirtschaft erschreckt: Währungsturbulenzen, Leistungsbilanz­defizite, Zinssprünge, Wachstumseinbrüche. „Natürlich dämpft das die Stimmung der Außenhändler“, bestätigt Dr. Nils Schmid, Minister für Finanzen und Wirtschaft und stellvertretender Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturberichts der L-Bank.

Doch wie besorgniserregend sind diese Signale für die stark exportorientierte Südwest-Wirtschaft? Die Turbulenzen in den Schwellenländern drücken auf die Konjunkturstimmung der hiesigen Unternehmer, die im Januar noch ein Mehrjahres-Hoch erreicht hatte. Dies zeigt die aktuelle Konjunktur-Befragung für Baden-Württemberg, die im Auftrag der L-Bank monatlich durchgeführt wird. „Aus den Schwellenländern sind im ersten Halbjahr 2014 keine wesentlichen Wachstumsimpulse für Baden-Württemberg zu erwarten“, kommentiert Minister Schmid. 

Die globale Gemengelage spüren vor allem die industriellen Kern­branchen Maschinen- und Fahrzeugbau, elektronische Erzeugnisse und elektrische Ausrüstungen, wie der L-Bank-ifo-Konjunkturtest zeigt. Diese Branchen stehen für fast zwei Drittel der gesamten Auslands­geschäfte. So schraubt die Autoindustrie ihre Export­erwartungen drastisch zurück. Der entsprechende Indexwert fällt von 24,8 Punkten im Januar auf -3,2 Punkte im Februar. Die Hersteller von elektrischen Ausrüstungen senken ihre Prognosen für die Auslandsgeschäfte von 46,9 auf 13,7 Punkte, Chemieproduzenten von 20,3 auf 12,6 Punkte. Die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten reduzieren ihre Exporterwartungen von 18,3 auf 12,3 Punkte.

Schon 2013 musste die baden-württembergische Industrie in mehreren Schwellenländern sinkende Umsätze hinnehmen. So erwies sich beispielsweise der chinesische und indische Markt als problematisch. Der  Export von Autos aus Baden-Württemberg nach China brach um 15,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Die Maschinenbauer lieferten im gleichen Zeitraum 11,2 Prozent weniger Produkte in den indischen Markt. Der Exportabsatz der Hersteller von elektrischen Ausrüstungen nach Indien ging um 15,3 Prozent zurück. Auch Südafrika erwies sich gleich für viele Branchen als schwieriges Terrain. Der Export von Autoherstellern sank um 16,7 Prozent, Chemieproduzenten berichten über einen Rückgang von 17,9 Prozent, Maschinenhersteller sogar von 21,9 Prozent und Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten 30,6 Prozent.

Aktuell schaut die baden-württembergische Wirtschaft mit Sorge besonders auf Russland. Schließlich ist das größte Land der Erde ein wichtiger Markt für die Südwest-Unternehmen. Im Jahr 2013 betrugen die Außenhandelsumsätze fast 6,2 Milliarden Euro. Nun drohen stark negative Auswirkungen auf die inzwischen engen wirtschaftlichen Beziehungen.

Doch auch wenn derzeit vor allem der  russische Absatzmarkt bedroht ist, so gilt die Sorge der Unternehmen ebenso den anderen  Schwellenländern mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Denn mit rund 26 Prozent geht ein Gros der  baden-württembergischen Exporte in die Emerging Markets. Deren Krise schwelt seit Mitte 2013, spitzte sich seit Beginn dieses Jahres zu. Ursache sind sowohl hausgemachte Probleme als auch externe Faktoren. So löste der langsame Abschied der amerikanischen Notenbank Fed von einer sehr expansiven Geldpolitik starken Druck auf viele Schwellenländer aus, die in den vergangenen Jahren stark von der amerikanischen Geldschwemme profitiert hatten. Allerdings leiden auch fast all diese Länder unter grundlegenden ökonomischen Problemen wie einer zu hohen Inflation und einem großen Leistungsbilanzdefizit, das sie zu abhängig von ausländischem Kapital werden ließ.

Mittelfristig sind die Aussichten auf Geschäfte in den Schwellenländern aber gut. „Anstehende Reformen in den Schwellenländern und die Beherrschung von Turbulenzen auf den Finanzmärkten dürften sich mittel- bis langfristig positiv auswirken“, hofft Minister Schmid.

Auch die Wirtschaftsfördergesellschaft des Landes Baden-Württemberg, Baden-Württemberg international (bw-i), ist vorsichtig optimistisch. „In der Vergangenheit hat es sich immer wieder gezeigt, dass es für Unternehmen von großem Vorteil sein kann, in Ländern, die aktuell eine schwierige Phase durchlaufen, Präsenz zu zeigen. Auch wenn sich die Konjunktur in einem Land eintrübt, können sich dort mittel- und langfristig gute Exportchancen für die südwestdeutsche Wirtschaft ergeben“, relativiert Geschäftsführer Jürgen Oswald.

Insgesamt erweist sich Baden-Württembergs Wirtschaft als robust. Das freundliche ifo-Geschäftsklima hat sich im Februar nur leicht von 18 auf 17 Punkte abgeschwächt. „Trotz der schwächer erwarteten  Exporte in die Schwellenländer ist der Gesamttrend positiv – eine Umkehr der langfristig positiven Konjunkturstimmung ist vorerst nicht in Sicht“, sagt Christian Brand, Vorsitzender des Vorstands der L-Bank. Das Statistische Landesamt erwartet so auch im ersten Quartal dieses Jahres ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um rund 2,75 Prozent. Die realen Konjunkturdaten ziehen allmählich nach: Die Südwest-Industrie startete mit Umsatzsteigerungen ins Jahr 2014, die Auftragslage ist kräftig im Plus. Wachstumstreiber sind die  Binnennachfrage sowie die Nachfrage aus den Industrienationen. Gerade der wichtigste Handelspartner USA scheint rechtzeitig wieder zu erstarken und könnte sich als neuer Wachstumsmotor erweisen.  Allen dunklen Wolken am Exporthimmel zum Trotz: Baden-Württembergs Wirtschaft blickt dank ihrer breiten Aufstellung grundsätzlich positiv in die Zukunft.

 

Der L-Bank-Konjunkturbericht für Baden-Württemberg

ifo-Institut und GfK ermitteln jeden Monat im Auftrag der L-Bank die Konjunkturstimmung der gewerblichen Wirtschaft und der Verbraucher in Baden-Württemberg. Detaillierte Informationen dazu erhalten Sie unter www.konjunktur-bw.de. Dort finden Sie auch das komplette Interview mit Dr. Nils Schmid, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg.

Ansprechpartner ist Dr. Benjamin Quinten, 
benjamin.quinten@l-bank.de, Tel.: 0721 150-1887

 

 

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